Vor Kurzem bekamen wir die Gelegenheit, das Videospiel-Konzert „Video Games Live“ zu besuchen und mit einem der Hauptverantwortlichen zu sprechen. Russell Brower dirigiert nicht nur bei vielen der Konzerte das Orchester, sondern ist als Audio Director bei Blizzard auch für die Soundtracks von World of Warcraft, Diablo 3 und Starcraft 2 verantwortlich. In einem ausführlichen Interview konnten wir ihn unter anderem zu seinem Weg von den Looney Tunes nach Video Games Live befragen und können euch zudem einige unkommentierte Eindrücke vom Konzert selbst präsentieren. Das Interview selbst findet dabei auf Englisch statt, unter dem Video haben wir jedoch ein deutsches Transkript beigefügt. 

Zum Abschluss noch ein großes „Danke!“ an Mats und Basti von den Bosepark Productions, die uns mit Technik und uns leider schmerzlich unbekannter Kompetenz unterstützt und dieses Video dadurch überhaupt erst möglich gemacht haben. Küsschen!

Und nun, viel Spaß!

Deutsches Transkript:

Robin: Ich sitze hier mit Russell, bekannt für seine Arbeit bei Blizzard an den Soundtracks von World of Warcraft, Diablo 3 und Starcraft 2. Ich freue mich sehr, mit dir hier sprechen zu können!

RussellIch freue mich hier zu sein, danke.

Robin: Man kennt dich bereits durch die Soundtracks der genannten Spiele, deine Musik ist weltweit beliebt. Was mich interessiert: Wie hat es dich von Blizzard nach Video Games Live verschlagen?

Russell: Blizzard ist bereits seit dem ersten Konzert im Hollywood Bowl vor 10 Jahren Teil von Video Games Live. Ich war jahrelang als Gast auf der Bühne, wenn unser Material gespielt wurde und habe Blizzard und den Rest unseres großartigen Sound-Teams vertreten. Mit der Zeit habe ich als Dirigent immer mehr Erfahrung gesammelt, und Video Games Live hat gesagt „Hey, lass uns doch Gast-Dirigenten einladen!“. Ich glaube, God of War-Komponist Gerard Morino war einer der ersten, gemeinsam mit John Debney, einem erfahrenen Film-Komponisten und guten Freund. Und ich musste das einfach machen. Ich hatte diese neue Leidenschaft, den Rest meines Lebens damit zu verbringen, ein richtig guter Dirigent zu werden.

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Robin: Ursprünglich kommst du aus dem Film- und TV-Geschäft und hast dort etwa an den Looney Tunes mitgearbeitet. Es gibt nicht viele Leute, die freiwillig dem Fernsehen und „Hollywood“ den Rücken zukehren und stattdessen in den Videospiel-Bereich wechseln würden. War das eine bewusste Entscheidung oder hat es sich schlicht ergeben?

Russell: Ich glaube, wenn du in einer Industrie arbeitest, in der Kunst und Kommerz aufeinandertreffen, musst du bereit sein, dich neu zu erfinden. Als ich jünger war habe ich ständig Videospiele gespielt, ich habe sie geliebt, aber ich bin nie darauf gekommen, in diesem Bereich zu arbeiten. Einer der Gründe war, dass die Sounds früher tatsächlich nur aus „Bleeps“ und „Bloops“ bestanden und es nicht sonderlich interessant war. Aber in den frühen 90ern wurden Videospiel-Soundtracks „echter“. Auch wenn sie nur aus Keyboards bestanden, waren es doch immerhin Aufnahmen von Keyboards und nicht einfach nur digitalisierte oder synthetisierte, monophone Songs. Obwohl damals bereits großartige Musik geschrieben wurde – erst als die Soundtracks abwechslungsreicher wurden habe ich mir gedacht: „Hey, das ist interessant…“ Und, weißt du, Zeiten ändern sich und ich habe im TV- und Film-Geschäft gearbeitet, habe jahrelang Musik für berühmte Freizeitparks geschrieben, Spielzeug, alles Mögliche. Aber wenn du in diesem Geschäft tätig bist, gehst du dahin, wo es Arbeit gibt und ungefähr 2001, 2002 habe ich mir gedacht: „Was mache ich als nächstes?“ Es war an der Zeit, in Vollzeit mit Videospielen zu arbeiten, ich hatte bereits eine Menge Teilzeit-Jobs erledigt. Und ich habe es nicht bereut, ich hatte eine wunderbare Karriere seitdem.

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Robin: Wenn du die Möglichkeit hättest, an einem bestimmten Spiel zu arbeiten und damit zu machen, was du möchtest – Blizzard-Serien natürlich ausgeschlossen – welches würdest du wählen?

Russell: Das ist schwierig. Ich würde sagen, es gibt eine Gemeinsamkeit zwischen den Dingen, die mich anziehen. Ich liebe Musik, die eine Geschichte erzählt. Nur ein paar Noten, die dir genau erklären, wie du dich fühlen solltest, wo du bist und ein ganz klares Bild zeichnen. Ich glaube, jedes Projekt, das diese Tiefe besitzt und bei dem die Musik die Immersion des Spielers verstärken kann, wäre interessant für mich. Wenn ich mir so angucke, was gerade passiert, ist es wirklich schwer zu sagen. Und ich versuche mich hier nicht zu zieren, es gibt sicherlich Spiele, die mir in den frühen 90ern das Gefühl gegeben haben, dass ich ein Auge auf diese Industrie als einen potentiellen Karriereweg werfen sollte. Ganz klar, die Myst-Serie war eines der ersten Spiele, das mir das Gefühl gab: „OK, das ist Kunst und die Musik hat Tiefe“. Ab dem dritten Teil wurde die Musik orchestral und heute sitzen wir hier und feiern all dieser unterschiedlichen Serien…

Robin: Also können wir bald einen Myst-Kickstarter von dir erwarten? Exklusiv. 

Russel: Ich bin sehr zufrieden exklusiv mit Blizzard zu arbeiten und wie du bereits erwähntest hatte ich die Ehre, an den meisten unserer Spiele-Serien zu arbeiten und wir machen momentan so viel, dass es gut tut, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Ich fokussiere mich gerade auf World of Warcraft, wenn die Frage also ein bisschen mehr Spielraum gegeben hätte, hätte ich wohl geantwortet, dass ich meine Arbeit als Musical Director für World of Warcraft gerade sehr genieße und meine Zeit vor allen Dingen damit verbringe – zusätzlich zu meiner Verantwortung als Chef des Sound Departments, das ich hoffentlich nicht in den Sand setzen werde.

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Robin: Wie genau sieht dein normaler Arbeitstag bei Blizzard so aus? Du hast mir gerade erzählt, dass du bald für einige Aufnahmen die Abbey Road Studios besuchen wirst – ist so etwas für dich nur ein ganz normaler Tag im Büro?

Russell: Ich würde sagen, dass ich mehr als die Hälfte meiner Arbeitszeit damit verbringe, mit einem großartigen Sound-Team zu arbeiten. Wir sind 47 Leute, glaube ich. Jedes Geräusch, das bei Blizzard einen Lautsprecher in Bewegung bringt – die Spiele, die Zwischensequenzen, die Trailer, die Webseiten, sogar interne Trainings-Videos und die Telefon-Ansager und -Geräusche, die du hörst, wenn du eine Blizzard-Hotline anrufst – unsere Abteilung hat in irgendeiner Art und Weise daran gearbeitet. Die meiste Zeit verbringe ich also damit, mit dieser tollen Gruppe von Leuten zu arbeiten und mein Bestes zu geben, um zu garantieren, dass Blizzards akustische Identität so einzigartig und wiedererkennbar bleibt, wie die Geschichten und die Grafiken der Blizzard-Spiele. Meine Leidenschaft ist anschließend das Schreiben von Musik, so oft wie möglich. Normalerweise muss ich dafür morgens wirklich früh aufstehen, mich an mein Piano setzen und anfangen zu schreiben.

Robin: Du bist also vor allen Dingen für die Richtung verantwortlich, die das Audio-Design von World of Warcraft insgesamt einnimmt?

Russell: Nun, irgendjemand muss am Ende die Entscheidungen fällen und dafür bin ich verantwortlich. Der Aufbau unserer akustischen Identität startete schon lange bevor ich bei Blizzard vor etwa 10 Jahren anfing. Bereits damals verfügte das Studio über eine sehr beeindruckende Vergangenheit mit bereits existierender Musik, wundervollem Sound-Design, erstklassiger Synchron-Arbeit. Als ich dort ankam war mein Job also das Ganze weiter am Laufen zu halten und als wir damit anfingen, an mehreren Projekten gleichzeitig zu arbeiten, zu multi-tasken…und ich habe langsam das Gefühl, Muti-Tasking ist ein Mythos. Es braucht eine Menge sehr hart arbeitender Leute, um mit der ganzen Arbeit fertig zu werden.

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Robin: Findest du, dass Videospiel-Musik in den letzten Jahren an Wertschätzung gewonnen hat? Ich habe das Gefühl, dass in Reviews und sogar dedizierten Artikeln ein immer größerer Fokus darauf gelegt wird und dass sich viele Spiele immer mehr darauf konzentrieren. Video Games Live zeigt ja, dass es eine große Wertschätzung für diese Kunst gibt, aber ist diese in den letzten Jahren tatsächlich gewachsen oder ist das einfach ein sehr subjektives Gefühl meinerseits?

Russell: Ich glaube, dass du recht hast, die Wertschätzung ist gewachsen. Es gibt dafür eine ganze Menge an Gründen. Zunächst einmal wären da die Konzerte. Als ich jung war, waren es Film-Soundtracks oder klassische Musik und wenn du Fan davon warst, hast du diese Shows besucht. Das waren für mich Rock Stars! Es erschien mir absolut natürlich, dies nun für Videospiele umzusetzen. Man merkt immer mehr… Symphonie-Orchester haben nicht mehr so viele Besucher wie früher. Sie wollen ein jüngeres Publikum erreichen. Deswegen erschaffen immer mehr Symphonie-Orchester Videospiel-Konzerte, um Familien zurück in die Symphonie zu bringen. Das ist etwas, das mich einfach nur glücklich macht – nicht nur junge Menschen bei diesen Konzerten zu treffen, sondern ganze Familien, die zusammen hier sind. Und man trifft Eltern, die sagen: „Hey, jetzt verstehe ich es. Das ist Kunst. Ich muss nicht mehr nervös sein, wenn mein Kind ein Videospiel spielt“, weil sie auf ruhige Art und Weise mit diesen großartigen Bildern und der Musik konfrontiert werden. Sie erkennen, dass Spiele nicht nur aus all diesen Vorurteilen bestehen, es ist teilweise so, als würde man ein großartiges Buch lesen…und zusätzlich sind sie auch noch interaktiv.
Eine weitere Sache, die in den letzten Jahren passiert ist, ist die Etablierung von Streaming-Diensten. Die Playlists, die dort gespielt werden, werden – hoffentlich – von Menschen erstellt und Spiel- und Film-Soundtracks werden dort ganz frei miteinander vermischt. Es geht von einem großartigen Film-Soundtrack zu World of Warcraft und all den anderen epischen Soundtracks, die es so gibt. Einige der ruhigeren, schöneren Stücke, die eher leidenschaftlich und romatisch sind, werden sogar mit klassischer Musik vermischt.

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Robin: Kannst du bereits über die Zukunft von Video Games Live sprechen? Werden wir in den folgenden Jahren noch mehr Konzerte zu Gesicht bekommen oder kümmert ihr euch noch nicht um die Zukunft?

Russell: Video Games Live geht es wirklich gut, wir spielen mehr als 50 Konzerte im Jahr, was wirklich unglaublich ist. Die Show ist im Guinness-Buch der Rekorde als das am längsten laufende Konzert seines Genres. Da ist kein Ende in Sicht und ich bin wirklich stolz darauf, ein Teil davon zu sein.

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Robin: Das Konzert geht bei uns nun in einigen Minuten los und ich freue mich bereits sehr darauf. Es hört sich ganz so an, als ob ihr euch nächstes Jahr ebenfalls darauf freuen dürft und es erneut ein Konzert in Berlin geben wird…

Russell: Das ist der Plan, absolut.

Robin: Vielen Dank Russell, dass du dir so kurz vor dem Konzert noch Zeit genommen hast und viel Glück für die Show!

Russell: Danke, ich hoffe sie gefällt dir!

7 Kommentare zu “Hooked On Tour: Video Games Live – Interview & Eindrücke

  1. Sehr gutes Video. Robin ist echt gut im interviewen. Die Kamera und Tonqualität war auch sehr gut.
    Die Übersetzung ist auch gut, aber es wäre vielleicht effektiver, wenn die Übersetzung ein Untertitel wäre.
    Das ist wahrscheinlich aber zu viel arbeit.
    Wer von euch hat sich die Arbeit gemacht alles zu übersetzen?

  2. Super Arbeit Leute. Die Ausschnitte vom Konzert haben mir direkt wieder Gänsehaut gegeben, auch wenn es live natürlich viel beeindruckender war.
    Man hat es beim Konzert schon gemerkt und durch das Interview wurde es noch deutlicher. Der Russell ist ein sympatischer, netter Typ, der echt liebt was er macht.
    Danke auch für die zusätzliche Arbeit des Übersetzens, was nicht selbstverständlich ist.
    Dickes Lob von mir. Macht weiter so!

  3. Wer auch immer von euch beiden das übersetzt hat, danke dafür! Und ein bisschen Mitleid, ich stelle mir das nicht gerade besonders spannend vor.